Mittwoch, 6. Juni 2007
G8-Potemkin

Der versammelten Journaille ist in jedem Bericht anzumerken, wie erleichtert sie ist, über Proteste zu berichten anstatt nur über das völlige Fehlen irgendwelcher meldenswerter Ereignisse beim Politikertreffen im Container.

Findet man zum Beispiel beim Handelsblatt: "Erst wenn die hohen Damen und Herren in Heiligendamm wirklich etwas Neues, Interessantes oder Wichtiges ausbrüten, sollte man berichten. Dieser Zirkus, der jetzt gerade läuft ist unwichtig, uninteressant und langweilig."


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Heringe zu Haien

Und wo wir schon gestern bei dämlichen, stümperhaften, gut gemeinten und schlecht ausgeführten Logos waren, heute gleich noch eins, aus aktuellem Anlaß namens Evangelischer Kirchentag. Als Grundmotiv wurde der gute, alte, urchristliche Fisch genommen, weil altgriechisch IXΘΥΣ "Fisch" als Akronym für "Jesus Christus, Gottes Sohn (und) Erlöser" steht. Nun waren die frühen Christen vor Konstantins Wende immer wieder Verfolgungen ausgesetzt (wiewohl es auch lange Zeiten der Ruhe und der ungestörten Aubreitung der neuen Religion gab), und in der Regel nahmen sie die friedliche Botschaft des Nazareners noch sehr ernst. Streng und hart waren sie in der Befolgung der Vorschriften, aber ebendie führten nicht nur einmal in die Arenen des Imperiums, wo sie zum Gaudium des besoffenen Pöbels den blutigen Märtyrertod starben.

Das Image der stillen Dulder ist aber in unseren wilden Zeiten nicht mehr marktgängig, man muß coole Hipness zeigen (sagt man so? Ich bin weder cool noch hip), in einer Gegenwart, in der es selbst für die Freiwillige Feuerwehr Kleinbüllesheim zum guten Ton gehört, "gut aufgestellt" zu sein, darf die Evangelische Kirche nicht fehlen. Die Evangelen... die ja immer schon besonders geübt darin waren, sich an den Zeitgeist (oder was sie dafür hielten) ranzuschmeißen, ohne eigene Mitte, ohne Bezugspunkt zum eigentlichen christlichen Proprium. Draußen, in der wilden Welt, wird fusioniert, fliegen Heuschreckenschwärme um den Globus und Synergiekräfte werden optimiert. Also kein christliches die-andere-Wange-hinhalten ist angesagt, sondern businessmäßiges, hungriges, erfolgs- und IPO-orientiertes Auftreten. Und welches Tier fällt uns da ein, das die profitablen Tugenden der reinen Marktwirtschaft so anschaulich versinnbildlicht wie keins sonst? Genau, der Hai. Das Maul voller Zähne, wendig, schnell, immer hungrig, eine perfekt angepaßte Freßmaschine.

Ich war ein Hering

Und was ich nicht für möglich gehalten hätte (und viele andere wohl ebenfalls nicht), die dämlichen Kirchentagsprogrammierer peppen den Christenhering allen Ernstens mit Haifischflosse zum Siegerschwimmer auf und garnieren das ganze noch mit erklärendem Kleinkindergekrakel, damit sich auch die Lichterkettenerprobten, gutmenschlichen Bestandskunden nicht gar so sehr erschrecken.

Ein als fleischfressendes Raubtier maskierter Hering. Auf so etwas kann man nur in Köln kommen. Alaaf.


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