Beim Durchblättern dieser mäßig überzeugenden Seite plötzlich daran erinnert, als Kind noch Frauen erlebt zu haben, die nach dem Tod des Ehemannes schwarz trugen, über Wochen oder gar Monate. Nicht in übertriebener Weise wie die Klageweiber, schließlich stamme ich nicht aus Sizilien, sondern aus dem Rheinland.
Aber der Verlust, die Trauer wurde der Umwelt unmißverständlich mitgeteilt. Heute hat sich das alles in der allgemeinen Beliebigkeit aufgelöst, man schweigt und verdrängt, man feiert "Auferstehungsgottesdienste", am liebsten New-Age-mäßig mit Trauergästen ganz in Weiß und lächerlicher Popmusik vom Band, man hat das Traurige, den Verlust, das Schreckliche und das Gedenken verbannt, weil es zu einem Maßstab werden könnte, das, worauf man da trifft, wenn man sich nur zu sehr erinnert. Und doch wird ein hohles Erinnern beschworen, "Wer im Gedächtnis seiner Lieben lebt, der ist nicht tot, der ist nur fern; tot ist nur, wer vergessen wird", so lügen mir die Todesanzeigen leise flüsternd und hilflos aus der Zeitung entgegen (in fünf oder zehn Jahren wird es in gedruckten Zeitungen nur noch Anzeigen für Tote geben), als ob dies ein Trost sei und nicht vielmehr nur eine weitere Drohung, dieses "Fortleben" in den Gedanken anderer, als ob ich solange noch in jener Übergangswelt aus dunkelschimmerndem Obsidian schwebend verharren dürfte, solange noch einer mit meinem Namen Erinnerungen und hoffentlich gute Augenblicke verbindet und erst dann in der aschenen Dunkelheit des Todes und der Vergessenheit endgültig verwehen müßte.
Aberglaube auch dies, so wie überhaupt in dieser durchtechnisierten Zeit voll mit gadgets und widgets und web-affininen Applikationen der Mystizismus fröhliche Urständ feiert wie seit der Zeit der Hexenverbrennungen nicht mehr, Astrologie, Kartenlesen, Feng Shui, kein Unsinn so dumm, daß er nicht taugte, den Verzweifelnden noch das letzte Geld aus der Tasche zu ziehen und das letzte Hemd leer zu machen. Und wir werfen uns läppischen Ritualen in die Arme, die uns Trost und Sinn und Ruhe verheißen und vergessen, daß wir all diese trost- und sinn- und ruhespendenden Rituale bei uns selbst schon hatten, bis wir sogar vergessen haben, daß sie uns abhanden gekommen sind, irgendwann, nebenbei.
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Übrigens ist die Tradition der Auferstehungsgottesdienste kein New-Age-Kram, bei den Orthodoxen ist diese Tradition intakt geblieben während die Westkirche in ihrer einseitigen Ausrichtung auf die Jammertal-Aspekte des Daseins diese wie ich finde sehr schöne (und einleuchtende) Tradition im Nichts versanden ließ.
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