Mittwoch, 29. März 2006
Beim Zähnemetzger
Einer der wesentlichen Motivationsschübe, mit dem Rauchen aufzuhören, erhielt ich übrigens durch einen Besuch beim Zahnarzt. Wie das bei mir so ist, bin ich ein ziemlicher Schisser, was den Umgang mit dieser Spielart der Metzger angeht und so vermeide ich für gewöhnlich nähere Geselligkeit mit Vertretern dieser Branche, außer, es läßt sich nicht vermeiden. Vor einiger Zeit standen wieder einige Brückenbauarbeiten an und bevor mir der Metzger mit seinen Folterinstrumenten zu Leibe rückte, bestand ich auf reichhaltigster Gabe von Betäubungsspritzen, weil ich unter keinen Umständen etwas von den Umbaumaßnahmen mitbekommen wollte. Also abgesehen vom Baulärm, das ließ sich nicht verhindern. Der Metzger gehorchte und sedierte meine Kiefer so umfassend, daß ich den Eindruck hatte, unterhalb der Nasenwurzel gäbe es kein Gesicht mehr, nur noch ein großes, leeres Nichts. Sehr gut, kein Schmerz. Daß das mit dem vorübergehenden Verlust meiner Sprachfähigkeit Hand in Hand ging, war vergleichsweise unproblematisch, ich hatte an diesem Tage eh keine Termine von öffentlichem Charakter mehr. Nach insgesamt zwei Stunden hatte ich fürs erste die Tortur wieder hinter mir – und als starker Raucher ziemlichen Schmacht. Ich fingerte also noch im Treppenhaus die Schachtel Zigaretten hervor und ... ja sapperlot, wie sollte ich jetzt, mit besinnungslosem Mund, das Tabakstängchen im Gesicht befestigen? Nichts ging, schon gar nicht entzünden und den ersten wohltuenden Zug tun... schließlich schaffte ich es, die Zigarette in die Flamme des Feuerzeuges zu halten und durch heftiges Wedeln zur aromatischen Rauchproduktion zu bringen. Dann steckte ich mir – mittlerweile schweißbedeckten Antlitzes - den Filter zwischen die schlaffen Lippen, die ich mit den Fingern insoweit fixierte, daß ich endlich den ersten Zug tun konnte. Justament in diesem Augenblick passierten mich auf dem Wege zu ihrer Folterstunde andere Patienten, die mir ganz merkwürdige Blicke zuwarfen. Ich hatte dafür insofern Verständnis, als daß ich auch einen höchst wunderlichen Anblick bot, halb verkrümmt, die Arme und Hände in eigentümlicher Verrenkung vorm Gesicht... es war entwürdigend.

Wie schön: mittlerweile kann ich ähnlich betäubt, aber ohne peinlichen Zwischenhalt im Treppenhaus, schnellstmöglich dem Ort der Zahnqual entrinnen.

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