Samstag, 13. Mai 2006
Sieben Brücken

In der Regel ist Straßenbahnfahren ja nicht das reine Vergnügen. Entweder ist es früher Morgen und die Bahn demgemäß proppevoll und du kannst das distanzierte Verhältnis vieler Zeitgenossen zur morgendlichen Wäsche förmlich riechen (im Sommer potenziert sich dieser Effekt), oder es ist Nachmittag und die Bahn demgemäß proppevoll... aber lassen wir das. Heute soll ausnahmsweise mal nicht gemäkelt werden, obwohl der Kölner an sich ja ein eher gespanntes Verhältnis zu seinen Nahverkehrsbetrieben unterhält (unerreichtes Zitat aus einen Buch über die Domstadt: "Es ist uns nicht gelungen, irgendjemanden in Köln anzutreffen, der mit dem Begriff KVB etwas anderes verbindet als blanken Haß"). Doch zuweilen geschieht es, daß du unverhofft Zeuge kleiner Ereignisse oder Begegnungen wirst, Miniaturen hiesiger Eigenheit, die dann sogar menschlich und liebenswert sind.

Sieben Brücken überspannen den Rhein auf Kölner Stadtgebiet, und über einige führen Gleise der Straßenbahn, das urbane Leben links- und rechtsrheinisch zu verbinden. Ein vergeblicher Versuch. Auch im Zeitalter multimedialer Kommunikation trennt der Fluß die beiden Hälften Kölns, wie es vergleichsweise die Berliner Mauer selbst in den finsteren Tagen des kalten Krieges nicht vermocht hat. Aber dennoch fahren die Leute über diese Brücken, manche im Auto, manche in der Straßenbahn. Nun pflegen die meisten Straßenbahnfahrer auf der freien Strecke über den Rhein mächtig Tempo zu machen und kommen dann mit ca. 80 Sachen in einer weitgeschwungenen Linkskurve an der ersten Haltestelle an. Die Kombination aus Flieh- und Bremskräften läßt dann Leute, die sich nicht umsichtig verkeilt haben, gar lustig durch die Bahn purzeln. So auch im Fall einer alten Dame. Diese stand nahe einer Ausstiegstüre, ein zierliches Persönchen, kaum einssechzig groß, mit zart geblümtem Kleide und fliederfarbenem Haar. Neben ihr saß, offenkundig erschöpft von des Tages Mühen und auf dem Heimweg, ein Mann in blauer Handwerkerkluft, ein junger, aber riesiger Kerl mit wilder schwarzer Haarmähne, titanischen Oberarmen, grabschaufelgroßen Pranken auf gewaltigen Oberschenkeln, im Sitzen überragte er noch beinahe die alte Dame. Als nun die Bahn ihren Zielanflug begann und in starke Linksneigung ging, da hielt es die alte Dame nicht mehr an der Tür, die Flieh- und Bremskräfte rüttelten und zerrten an ihr, bis sie den Prinzipien der Physik Reverenz erweisen mußte und die Stange losließ, an die sie sich bisher tapfer geklammert hatte und plumps! im Schoß des gewaltigen Blaumannes landete. Und so schauten sie einander an, die Dame mit peinlich-unsicherem Lächeln, der Blaumann machte hingegen ein verdutztes Gesicht, um dann aber verständnisvoll und in versöhnlichem Ton festzustellen:

"Mamm, dat haste extra jemacht!"

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Danke! Das war echt ein Lacher!

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