Aber nur ganz kurz. Eigentlich nur ein oder zwei Sätze, die schon geeignet sind, die Krankheit zu verdeutlichen, an der viele Journalisten leiden: Bornierte Ignoranz und Faktenresistenz. Obwohl man ja nur mal nachgucken müßte. Worum es geht? Nachdem es der gebildete Zeitgenosse geschafft hat, die eigenwillige Titelzeile "Als Jesus noch ein Guru war" zu ignorieren (weiß er doch, daß innen drin wieder eine dieser "Spiegel"-typischen seitenlangen, pseudotheologischen Abhandlungen auf ihn wartet, voller Halbbildung, voller Halbwahrheiten, garniert mit viel Kolportage), wird er bereit im Editorial, im ersten Satz, in seinen Befürchtungen bestätigt: "Jesus war Maurer".
Jetzt ist der gebildete Leser eigentlich so weit, das ganze Ding einfach wieder zuzuklappen und wegzulegen, aber neugierig geworden, will er zumindest wissen, wie Autor Matthias Schulz zu dieser originellen Aussage kommt und ob er sie begründet. Und tatsächlich, auf Seite 146 ist über Jesus zu lesen:
"Markus zufolge war er 'Bauhandwerker' – solche Leute mörtelten und setzten Steine. Erst Luther machte aus ihm einen 'Zimmermann'."
Faszinierend. Drei Fehler in zwei Sätzen, das ist nicht schlecht. Also:
Im Markusevangelium, Kapitel 6, Vers 3 steht im griechischen Orignaltext ὁ τέκτων, was zunächst ganz allgemein "Handwerker" bedeutet, einer, der eine τέχνη, eine Technik beherrscht. Man könnte auch "Bauarbeiter" sagen, allerdings war ein τέκτων in der Regel mit hölzernen Gegenständen befaßt, nicht ausnahmslos, aber vornehmlich. Jede Bibelübersetzung seit der Vulgata oder der gotischen Wulfilabibel, wirklich jede hat also dieses Wort bis in die Gegenwart hinein als "Zimmermann" oder "Tischler" übersetzt. Auch Martin Luther tat dies, wie üblich in engster und strengster Anlehnung an den Urtext. Wie es dem Reformator überhaupt gelungen ist, in seiner Übersetzung des Neuen Testaments großartiges Deutsch mit wörtlicher Übertragung zu verbinden, wie jeder bestätigen wird, der des Altgriechischen mächtig ist.
Es ist wirklich ärgerlich, wenn manche Autoren glauben, jeden Dienstag morgen das Rad neu erfinden zu müssen und dabei von der Umwelt zu erwarten, diese phantastische Idee auch gebührend zu würdigen. Wenn sich dem Leser bereits schon bei der ersten flüchtigen Lektüre solcher so entstandener Texte die Fehler geradezu aufdrängen, dann verliert er schlicht die Lust, weiterzulesen. Muß er doch erwarten, sich auch im restlichen Text einer ähnlich hohen Fehlerquote gegenüberzusehen.
Früher gab es dagegen ein Heilmittel namens Schlußredaktion.
Gemein: Unbemalte Ostereier im Schnee verstecken.