Freitag, 14. April 2006
Attribution
Fällt das eigentlich nur mir auf bzw. bin ich der einzige, der immer ein wenig innehält, wenn "schöne Ostern" (wie auch zur Winterszeit "schöne Weihnachten") gewünscht wird?

Es muß doch vielmehr frohe Ostern u.ä. heißen, oder irre ich mich da jetzt völlig? Auf mich wirkt dieses "s.O." sozusagen verbogen, so ähnlich, wie wenn ich einen Brief mit der Gruß- und Schlußformel "mit schönen Grüßen" beendete. Wär ja auch Quatsch.

Naja, nur eine Beobachtung am Rande und angesichts der unzähligen Denglisch-Verunstaltungen von minderer Bedeutung.

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Die Heiden haben das Wort froh aus ihrem Wortschatz gestrichen. Es mußte dem Wort geil Platz machen. Wenn Sie gut zuhören, werden Sie in der kommenden Woche sicherlich einen sagen hören: Das Wetter war ja nicht berauschend, aber sonst fand ich Ostern echt geil.

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Ich habe mir sogar sagen lassen, der Begriff "geil" sei nur typisch für die Alterskohorte der Ü35. Angemessener Jugendslang soll heute anstelle dessen "pornös" bevorzugen.

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Pornös habe ich noch nicht gehört. Eine derart schwierige Wortbildung würde ich eher der Twen-Klasse mit Quarterlifecrisis zutrauen.

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Es heißt wohl nicht "pornös",
sondern "voll Porno" - und das Gegenteil ist "voll schwul". So schrieb es jedenfalls neulich Harald Martenstein, der sich mit dem Sprachschatz seines 13jährigen Sohnes auseinandersetzte.

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Nun, ich möchte dazu diese Quelle zitieren. Sie scheint meinen Kenntnisstand zu bestätigen. Obwohl ich mich auch damit natürlich nicht über die Ebene reinen Hörensagens erhebe.

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Voll höre ich natürlich alle Tage und warte auf die Schreibung vollgeil, wie es sich für einen anständigen Elativ gehört. Aber Wortbildungen mit -ös sind mir seit elephantös nicht mehr untergekommen.

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Vermutlich kommen beide Varianten vor,
Hier ist der Link zu Martenstein. "Pornös" klingt in meinen Ohren nach Gymnasiasten-Slang, wohingegen "voll porno" mehr street credibility hat...

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Sind Sie sicher, daß sprachnudel.de nicht vorzugsweise von meiner Generation bedient wird: Perle, Ische, Horst und knorke.

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Die Begriffspaare schwul-geil und psycho-porno leuchten mir ein. Ich kann aber aus unmittelbarer Erfahrung sagen, daß geil auch weit unter dreißig dominiert.

Nur den Analysen von Martenstein kann ich weniger folgen. Warum sind schwul und psycho gesellschaftlich goutiert, geil und porno aber verpönt? Und handelt es sich bei alledem wirklich um eine Geheimsprache?

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Ich sehe schon, ich bewege mich hier in mir völlig unbekannten sprachlichen Gefilden, und das nicht nur aus Altersgründen. Schon zu Jugendzeiten habe ich der meisten, wenn nicht sogar aller üblichen Vokabeln des linguaggio entraten. Natürlich zog ich deshalb schon früh den Vorwurf des verbal ondulierten Stolzierens auf mich. Erst jetzt, nach vielen Jahren, ist bei den meisten der Eindruck zur Erkenntnis gereift, daß ich gar nicht anders kann.

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Was wollen Sie damit sagen? Daß Sie zu jung sind für solche Betrachtungen? Ich habe mich seinerzeit auch Vokabeln wie knorke enthalten, weiß aber trotzdem aus eigenem Erleben, daß der Bedeutungswandel des Wortes geil nun in die vierzig gekommen ist. Für Jugendliche aber ist auch der alte Häuptling der Indianer neu und lustig.

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Ich verstehe den Herrn Maternus eher so, dass er auch in jungen Jahren jeglichem adoleszentem Neologismenkult abhold war. Diese Sorte Sonderlinge kultivierte in meiner Jugend Redewendungen wie "das tangiert mich nur peripher" oder "das entbehrt nicht einer gewissen Komik"...

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ohne das wörtchen "geil" nun übermäßig schützen zu wollen, da es an sich (vll. auch für sich? *g*) einfach recht hässlich ist: "geil" ist ein uraltes wort. "geil" oder "geile" bedeutete vor etwa 800 jahre soviel wie fröhlich, ausgelassen, üppig, aber auch unbändig, wild oder mutwillig. als substantiv konnte es in der landwirtschaft auch "fruchtbarer boden" bedeuten.
wenn man "geile ostern" wünscht, ist das von "frohe ostern" gar nicht so weit weg. jedenfalls näher als "schöne ostern". ;)

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Das Wörtchen "geil" ist nach Ansicht von Bodo Mrozek vom aussterben bedroht.

Rote Liste

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Gewiß hatte das Wort geil ganz, ganz früher eine andere Bedeutung. Kommt es nicht auch in einem Kirchenlied vor? Und selbst die Erwachsenen meiner Kindheit sprachen: Geil nicht immer so nach den Süßigkeiten. Aber es ist ja nicht das einzige Wort mit verschiedenen Bedeutungen in mehreren Wortarten.

Das modenere geil unterscheidet von den Vorläufern aber der inflationäre Gebrauch, wodurch es zur nichtssagenden Worthülse wie schön und nett verkommt. Inhaltlich ist seit oberaffentittengeil in den letzten vierzig Jahren nichts hinzugekommen.

Das ist der Unterschied zum Wort froh, was inhaltlich von geil gar nicht weit entfernt sein mag. Des Wortes froh schämt man sich und kennt es gar nicht mehr, geil wird hemmungslos eingesetzt. Wer sagt schon: Der Film war echt froh, vor allem das Ende war hammer froh.

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Da hat mark793 völlig korrekt diagnostiziert, wiewohl ich in den angeführten Fällen die Formulierungen "ich bin desinteressiert" bzw. "das weist schon ridiküle Züge auf" bevorzugt habe, was möglicherweise noch grausamer war (für einen nicht einmal 20jährigen jedenfalls).

Und ja, der erste Begriffsinhalt, der mir für "geil" entgegentrat, entstammte dem Bereich der Botanik, genauer, einem Lehrbuch der Gartenkunst aus den 20er Jahren, aus dem Bestand meiner Gromutter. Er bezeichnete durch Überdüngung zu übertriebenem und häufig auch blütenlosem Wuchs angeregte Pflanzen.

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Haben Sie etwa auch "zum Bleistift" gesagt?

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Glücklicherweise nicht. Da ich als Heranwachsender einige Zeit in Italien verbracht hatte, rutschte mir da immer das unglaublich viel coolere (sagt man so?) "per esempio" heraus.

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Heute hat der Osterhase mir Unterschied und Ähnlichkeit von geil und froh noch einmal erklärt:

Meine jüngste Tochter: Lieber Papa ich wünsche dir frohe Ostern

Meine mittlere Tochter: Lieba dad, Ich wünsch dir krass geile Ostan.

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Hm. Zeigen sich hier nun die Auswirkungen des PISA-Effektes?

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