Donnerstag, 17. September 2009
Wir langweilen uns zu Tode

Ich weiß nicht mehr, wer einmal gesagt hat, daß kluge Menschen in Zeiten des politischen Stillstands und der Verwahrlosung entweder Rosen züchten oder die Macht ergreifen müssen. Mir ist die Imperatorengeste sicherlich nicht an der Wiege gesungen worden und auch in späteren Jahren wäre niemand auf die Idee gekommen, ich hegte Ambitionen derart, die mich zum drängelnden Auftritt im Vordergrund treiben würden. Dies umso weniger, als schon bei mittlerer historischer Beschlagenheit sich alsbald eine Erkenntnis einfindet: auch die Machtergreifer sind in der Regel an den Verhältnissen gescheitert, haben sich mit ihnen arrangiert, wobei selbstverständlich die offiziellen Formulierungen nie auf Redewendungen etwa wie "sich die Umstände zunutze machen" verzichteten.
Doch à la longue war da eigentlich in den seltensten Fällen so etwas wie eine Idee, ein Projekt, der Wille zum gestalterischen Wirken zu erkennen oder auch nur vorhanden. Sie haben sich so durchgewurschtelt, mit durchaus bescheidenen Ergebnissen.



Das gilt nicht weniger für die Potentaten der Gegenwart. Ungleich dem Märchenkönig Midas, dem noch der unbedeutendste Krümel in der Berührung seiner Hand zu Gold wurde, vermögen es die Politprotagonisten der Gegenwart zwar nicht, es ihm nachzutun. Aber aus Gold Scheiße machen, das immerhin gelingt ihnen.
Da ist also diese wunderbare Demokratie, die diesem Land 60 Jahre Frieden und nie gekannten Wohlstand geschenkt hat, das Ganze bei einer wirklich zufriedenstellenden Verfassungslage. Und kontinuierlich entwerten sie dieses Wunderwerk durch Verweigerung und steinerweichende Langeweile. Und weil diese Langeweile nicht gestört werden darf, auch nicht von außerhalb, wird auf dem obersten europäischen Stühlchen weiterhin diese portugiesische Verlegenheitslösung installiert, die allen wohl und niemandem wehe tut und nebenher die nicht minder wunderbare Idee der europäischen Einigung endgültig zu ruinieren droht. Barroso, der schon durch seine politische Sightseeing-Tour vom einstigen Maoisten zum jetztigen Neoliberalen seine angenehme Rückgratlosigkeit bewiesen hat, fällt auch sonst durch nichts auf, was auch nur aus der Entfernung mit einer Idee oder einem Konzept zu tun hätte. Er lächelt dankbar, wenn ihn der französische Zampano Sarkozy oder die deutsche Mehltaubeauftragte Merkel einmal anzurufen geruhen. Ansonsten wollen sie in Ruhe gelassen werden. Auch vom Volk, dem lästigen. Dem wird vor der Wahl nichts verraten, und was verraten wird, ist bei Schließung der Wahllokale ohnehin schon Makulatur.



Wie gnadenreich dagegen der September, der in diesen Tagen plötzlich doch noch ein Einsehen zeigt und sein melancholisch-altgoldenes Licht über Blumen- und Rosenzüchter, über das ganze Land ausgießt, das auf einmal so wunderschön aussieht, wie es eigentlich sein könnte.



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