an sagt der vatikanischen Diplomatie gemeinhin feinsten Spürsinn noch für kleinste Details nach. Keine Formulierung, kein noch so geringer Nebensatz, der den von einer jahrtausendalten Schule geformten Prälaten unüberlegt entschlüpfen würde. Lieber mit Bedacht zehn Sätze nicht gesagt als unbedacht ein einziges Wort zuviel.
Wer sich diesen Umstand vor Augen hält, der wundert sich bereits seit einigen Wochen, was aus Roms weihrauchgeschwängerten Hallen zu allen Themenbereichen in Vebindung mit Juden kommt.
Elefantenhintern vor päpstlicher Diplomatenakademie
Da ist zunächst die nicht unumstrittene Figur von Papst Pius XII, der sich nach Meinung mancher nicht oder nur allzuschwach gegen die braune Barbarei der Nazis wandte, in deren Rachen Millionen Menschen verschwanden. Er habe seine Stimme machtvoll gegen die Gefahren des Bolschewismus erhoben, da hätte er gegen die Nazis doch zumindest flüstern können. Was lange nur fürs kirchenhistorische Oberseminar taugte, dringt nun, mit dem Fortschreiten des Prozesses zur Selig- und Heiligsprechung des Papstes, erneut ins Bewußtsein auch nicht so frommer Zeitgenossen. Die seltsam präpotent anmutende Art, in der die römischen Apologeten des Pontifex das Unbehagen ignorieren, das nicht nur Juden gegenüber dem Pius-Papst empfinden mögen, überrascht dabei auch solche, die dem Vatikan mit Sympathie mit Wohlwollen gegenüberstehen.
Dieses Unbehagen wurde nicht geringer, als zu Jahresbeginn der Kurienkardinal Renato Martino den Gazastreifen und die dortig herrschenden Zustände mit anklagend gegen Israel erhobenem Finger mit einem Konzentrationslager verglich. Diese Gleichsetzung israelischer Selbstverteidigung mit Nazimorden, die man ansonsten nur aus dumpf-rechtsextremen Kreisen kennt, gewinnt durch den Umstand noch an Pikanterie, daß die Eminenz als Menschenrechtsbeauftragter des Vatikans fungiert und es eigentlich besser wissen müßte. Daß manches am Vorgehen der israelischen Streitkräfte sicherlich fragwürdig ist, daß sich Israel auf dem Weg zu einem auskömmlichen Leben mit seinen Nnachbarn häufig selbst ein Bein stellt, wird niemand ernsthaft in Abrede stellen wollen. Aber den Verantwortlichen in Jerusalem explizit Völker- und Massenmord aufgrund einer rassistischen Herrenmenschenhaltung gleich den Nazis zu unterstellen, geht weit über jedes Maß auch der geharnischsten Protestnote hinaus. Hier wollte jemand gezielt denunzieren. Daß der Gottesmann seinen Auspruch ungehindert und auch später vatikanseits undementiert tätigen konnte, läßt den Schluß zu, er habe in Übereinstimmung mit der Obersten Autorität, zumindest aber nicht gegen die Ansichten von Papst Benedikt gesprochen.
Und nun also die Rehabilitation der vier Bischöfe der traditionalistischen St.-Pius-Bruderschaft. Die einst vom konservativen Erzbischof Marcel Lefebvre gegründete Traditionskompanie gruselte sich vor dem II. Vatikanischen Konzil, der Liturgiereform und der modernen Welt überhaupt. Seit der unerlaubten Weihe von Bischöfen befand sie sich im Zustand der Kirchenspaltung. Den hat Benedikt jetzt wieder rückgängig gemacht, nachdem er schon zuvor die alte tridentinische Messe wieder als normale Liturgieform der katholischen Kirche zugelassen hatte. Innertheologisch und innerkirchlich sicher konsequent, denn ein Pontifex soll versöhnen und Brücken bauen. Daß auch ein bekennender Rechtsextremist unter den Bruderschafts-Bischöfen nun von der "väterlichen" päpstlichen Milde profitiert und wieder in den Schoß von Mutter Kirche zurückkehren darf, ist allerdings mehr als ein Fauxpas. Denn die Aussprüche des notorischen Holocaustleugners Richard Williamson sind seit längerem bekannt. Daß der Vatikan nicht darauf bestanden hat, der Mann möge sich zu Verhinderung von Irritationen mit öffentlichen Einlassungen zurückhalten, verwundert. Daß der Vatikan die Versöhnung selbst dann noch ungerührt durchzog, nachdem der Traditionalistenbischof sich noch letzte Woche im schwedischen Fernsehen so ausgiebig wie einschlägig zum Thema Auschwitz ausgelassen hat, macht einigermaßen fassungslos. Da verfangen dann auch die Hinweise nicht mehr, die Rekonziliation sei ein rein theologischer Akt und "weltliche" Aspekte im Zusammenhang mit den wieder in Gnade Aufgenommenen nicht berührt.
Daß Benedikt XVI. jedoch ohne Not die Brücken zu den jüdischen Nachbarn beschädigt, die noch Johannes XXIII. als "unsere großen Brüder" bezeichnet hatte und mit denen Johannes Paul II. engsten Kontakt suchte, kann nicht anders als eine programmatische Wende des deutschen Papstes gewertet werden.
Eine Rückbesinnung auf traditionelle Werte ist nichts, was man einer Organisation wie der katholischen Kirche ernsthaft vorwerfen könnte. Wohl aber die unnötige Wiederbelebung des unseligen antisemitischen Erbes, das lange Jahrhunderte zur Standardausstattung der römischen Schäfchen gehörte, mittlerweile aber längst auf dem Schutthaufen der Kirchengeschichte entsorgt war. Da sollte es auch weiter unberührt vor sich hinrotten dürfen.
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Nicht ohne Grund übrigens ziert Berninis Elefant diesen Text. Nicht nur, daß er seinen Hintern der päpstlichen Diplomatenakademie entgegenreckt, die Inschrift auf der Basis des Obelisken, den das Rüsseltier trägt, lautet passenderweise:
QUISQUIS HIC VIDES
DOCUMENTUM INTELLIGE
ROBUSTAE MENTIS ESSE
SOLIDAM SAPIENTIAM SUSTINERE
"Der du das hier siehst,
erkenne darin den Beweis,
daß man schon einen kräftigen Geist haben muß,
um die feste Weisheit auszuhalten."
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(ach, ich unterschreibe einfach hier)
gez. Lothar Lammfromm
P.S.
Sehr schöner Text!
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Tja, leider, leider ist die katholische Kirche nun wirklich alles andere als eine demokratische Veranstaltung, noch dazu mit höchst mangelhafter Rechenschaftspflicht. Zumal den unteren Chargen gegenüber. Aber so ist das eben im Absolutismus.
Mich ärgert vor allem, daß die vergleichsweise unwichtigen Piusbrüder jetzt Anlaß für tiefe Verwerfungen geben, die zuzuschütten klügere und wohlmeinendere Zeitgenossen wieder ein paar Jahre beschäftigt sein werden.
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