anz klein, verwachsen, mit einem krummen Rücken, mit dem er sowieso schon immer übersehen oder vielleicht auch viel zu sehr gesehen worden ist, schlurft er durch die römischen Gassen, in der Linken einen schwarzen Beutel. Langsam, Schritt für Schritt bewegt er sich auf den Eingang des Weinlokals zu, neben dem einige Klappstühle eigentlich auf weitere Gäste warten, doch jetzt, um halb Zwölf, werden keine mehr kommen.
Also nimmt sich der kleine Mann einen Stuhl, klappt ihn umständlich auf und läßt sich mit viel Geächz und Gestöhn darauf nieder. Und faßt darauf sogleich in den Beutel, um ihn eine Mandoline zu entnehmen, die er mit tief geneigtem Kopf erst stimmt, und dann mit einigen traditionellen italienischen Weisen, mit mehr oder weniger sicherem Spiel, die wenigen verbliebenen Gäste des Weinlokals zu unterhalten.
Der Graben könnte nicht tiefer sein zwischen den drei junge Frauen am Nebentisch, wohl kaum mehr als 20 Jahre alt, die eben ihre Getränke bezahlt haben und noch für ein paar Geschichten sitzengeblieben sind, und dem kleinen, verwachsenen Mann. Gleich werden sie aufbrechen in die für die Jeunesse dorée Roms noch junge Nacht, eine Cocktailbar oder eine Diskothek aufsuchen, während ihm nur der Heimweg in werweißwas für ein Gelaß bleibt, während in der ausgebeulten Tasche des uralten Jacketts einige Münzen klimpern. Jetzt blickt die am nächsten Sitzende den kleinen Mann, während er versunken napolitanische Gassenhauer zupft, für einen Augenblick mit kaum verhohlenem Abscheu an und wendet sich wieder ihren Freundinnen zu und hat die merkwürdig verwachsene Gestalt des musikalischen Gnoms im selben Augenblick schon wieder vergessen, als die drei auf die Straße treten. Einige Angestellte des Weinlokals kommen zwischendurch vor die Türe, um sich ein wenig die Beine zu vertreten oder eine Zigarette zu rauchen, direkt neben den Stuhl des kleinen verwachsenen Mannes, der jedesmal erschrocken aufblickt mit dem Ausdruck eines gehetzten Tiers, obwohl er doch hier nichts zu fürchten hat, wird er hier weder vertrieben noch laut ausgelacht, wie es ihm sonst nicht selten geschehen mag.
Mich aber fragt der kleine Mann, ob ich noch ein Lied hören möchte, ein napolitanisches oder lieber ein römisches, und ich wünsche mir ein römisches, und er verneigt sich und stimmt einen traditionellen stornello an, der von Piraten und saraceni handelt und schließlich bei den bersajeri des Garibaldi endet. Von mir will er kein Geld, nachdem er sein Lied zuende gespielt hat, packt er seine Mandoline ein, erhebt sich mühsam und umständlich, wiederum mit viel Geächz und Gestöhn, klappt den Stuhl sorgfältig zusammen und stellt ihn zurück zu dessen Verwandten, auf denen heute Nacht niemand mehr sitzen wird, und geht mit vorsichtig tappenden Schritten und leise klimperndem Jackett weiter.