Montag, 4. Juni 2007
Wir lesen Zeitung. Heute: FAZ

Tagespolitische Erwägungen sind bekanntlich Einwickelware für den Fisch von morgen. Halten wir uns also an die ewigen, die unvergänglichen, die geistigen Werte menschlicher Zivilisation, kurz, lesen wir das Feuilleton.

Bono hat letztens die BLÖD vergutmenscht ("Liebes Afrika"), doch nun fragen wir uns bebend, wer das Flaggschiff deutschen Denkens und Wesens, die FAZ, in seine greuliche Klaue bekommen hat.

"Konstantin der Große - Der legendäre Heidenchrist" ist ein schöner nervtötender Artikel von Dirk Schümer über die Konstantinausstellung in Trier überschrieben, erschienen in der Onlineausgabe der FAZ. Ist die Thematik auch interessant, will sich rechter Lesegenuß dennoch nicht einstellen. Denn ziemlich bald schon stößt der geneigte Leser auf die Aufzählung von "Katholiken, Ariern, Donatisten". Nunja, es ist auch ziemlich schwierig, den Unterschied zwischen Führers Rassegedöns bzw. einem linguistischen Terminus und der spätantiken, vom Katholizismus abweichenden Lehre der Arianer zu begreifen. Lexika sind bekanntlich teuer und die Bibliothek hatte auch schon zu.

Und schon stolpert man über den nächsten Unsinn. "Bis zur ersten Ketzer- und Heidenverbrennung sollte es nicht mehr lange dauern.". Wie gesagt, wir reden über die Zeit des römischen Kaisers Konstantin, der im Jahre des Herrn 337 die noch kurz vor Toresschluß getauften Augen schloß. Die Hexenverfolgungen setzten bekanntlich jedoch erst im Hochmittelalter ein, einzelne Vorfälle und Exzesse zuvor stießen durchweg auf kirchliche Ablehnung. Aber schöner gruseln mit Fiktion als sich an der lahmen Wirklichkeit orientieren, nicht wahr?

Und wieso Konstantins Mutter, die zwischenzeitlich sogar den Titel einer Regierenden Kaiserin erhielt, im FAZ-Artikel als "Konstantins obskure Mutter Helena" diffamiert wird, muß ebenfalls das Geheimnis des offensichtlich auf dem Boulevard großgewordenen Autors bleiben. Vielleicht aber schlägt in seiner Brust auch nur das Herz eine Society-Reporters, den die illegitime und nicht standesgemäße Ehe "zur linken Hand" von Konstantins Vater mit dessen großer Liebe, der bithynischen Kneipenwirtin Helena empört. Helena, die Dodi al-Fayed der Antike! Rolf Seelmann-Eggebert, übernehmen Sie!

Daß dann von "augustäischer" Kunst die Rede ist, kann nun nicht mehr weiter erschrecken. Der attributive Namensgeber hieß zwar nicht "Augustaeus", wie der verwirrte Leser vermuten könnte, vielmehr ist der aus der Weihnachtsgeschichte wohlbekannte Kaiser Augustus gemeint, das heißt, er ist nicht gemeint, denn der lebte 300 Jahre vor den in der Trierer Austellung gemeinten Epoche und damit auch vor Konstantin.

Zum Schluß hin dann noch der gescheiterte, ärgerliche Versuch, den dummen Leser, der ja von Kaisers in der Antike keine Ahnung hat, mal die richtige Sicht der Dinge mundgerecht vorzukauen: Konstantin war ein Monarch, der absolut herrschte, im FAZ-Pamphlet lernen wir uns ordentlich vor ihm fürchten, der er doch "dieser Autokrat, dessen Ästhetik sehr viel näher bei Stalin steht als bei Mutter Theresa", war. Da werden mal eben munter Darstellungs- und Rezeptionsepochen aus 2000 Jahren verwurstet und zu einem ungenießbaren Besserwisserschleim verkocht und historische Protagonisten in neu/altlinker Manier denunziert. Semper aliquid haeret.

Die Bebilderung ist ebenfalls schön – und man sollte den dazugehörigen Texten ebenfalls die Gnade des Ignorierens schenken. Der Herr Papa des nachmaligen Christenretters hieß Constantius, nicht Constantinius. Obendrein zeigt das solchermaßen betextete Bild denn auch nicht den Kaiservater, sondern eine Replik des weltbekannten Marmorkopfs Konstantins selbst, der im Innenhof des Kapitolinischen Museums in Rom zu besichtigen ist. Und weiter: Die Darstellung der sogenannten Ada-Handschrift, eines Evangeliars in kostbarem Zellenschmelz-Einband, wird zwar korrekt als "karolingisch" bezeichnet, dann jedoch historisch als "wahrscheinlich vor 326 in Trier entstanden" einrubriziert. Da bleibt kein Auge trocken.

Im FAZ-Redaktionsstübchen scheint es weder eine Internetanbindung (die den einen oder anderen Blick z.B. auf Wikipedia erlauben würde) noch eine Schlußredaktion zu geben. Naja, ist ja auch nur das Onlinedingsda. Und überhaupt, die FAZ ist ja sowieso nur eine Evangelenzeitung. Da wollen die Leser den alten Kram vor 1517 eh nicht so genau kennen. Reicht, wenn man irgendeinen schlampigen Unsinn dahinrotzt.

Ach... ich sehe gerade... diese Sudelei wurde bereits in der samstäglichen Holzausgabe dem interessierten Publikum unterbreitet... na, wie auch immer: Gatekeeper bei der Arbeit. Der Mann lebt als Europa-Korrespondent der FAZ in Venedig, es ist kaum zu fassen. Selber schuld, wer für derlei Schund am Kiosk oder im Abo auch nur einen Cent springen läßt. Dies Feuilleton taugt zum Einwickeln nur noch für Elritzen, denn übersetzt macht es seinem Namen alle Ehre:

Blättchen.


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Bekanntlich erspart es ein gnädiger Gott dem Föjetonnisten, zu leiden, was er sagt.

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Dann geht aber besonders in diesem Fall Gnade vor Recht.

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